Event:
28.04.2014, 17:15 | Entwicklungsgruppe Klinische Neuropsychologie | ||
until 18:45
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Event Type:
Talk
Speaker: Benjamin Stahl Institute: Max-Plank-Institut Leipzig Title: Behandlung nicht-flüssiger Aphasien durch Melodie, Rhythmus und formelhafte Sprache |
Location:
Klinikum Bogenhausen, Hörsaal Englschalkinger Str. 77 81925 München Host: Wolfram Ziegler Host Email: wolfram.ziegler@extern.lrz-muenchen.de |
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Abstract:
Patienten mit schweren Sprach- und Sprechstörungen sind häufig imstande, ganze Textzeilen vergleichsweise flüssig zu singen. Aus dieser Beobachtung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten besonders zwei wissenschaftliche Fragen herausgebildet. Liegt das methodische Augenmerk auf einem Messzeitpunkt (Querschnitt), stellt sich die Frage, inwiefern Gesang die Sprachproduktion der betroffenen Patienten unmittelbar erleichtert. Werden mehrere Messzeitpunkte verglichen (Längsschnitt), liegt die Frage nahe, inwiefern sich Gesang für nachhaltige Fortschritte in der Sprachproduktion einsetzen lässt. Zwei Experimente sollten diesen Fragen auf den Grund gehen (Stahl et al., 2011; Stahl et al., 2013). Zusammengefasst liefern die Experimente drei Hauptergebnisse.
Erstens, Gesang und rhythmisches Sprechen erwiesen sich als gleichermaßen entscheidend für kurzfristige und nachhaltige Verbesserungen der Silbenproduktion bei Patienten mit nicht-flüssigen Aphasien und Sprechapraxien. Dieser Befund war unabhängig vom Ort und Ausmaß der Hirnschädigung. Zweitens, die Silbenproduktion mancher Patienten verbesserte sich geringfügig, wenn gleichzeitig ein Metronom schlug. Eine solche Wirkung trat besonders bei Patienten auf, deren Hirnschädigung sich über die linken Basalganglien erstreckte. Dieser Befund steht im Einklang mit der Annahme, rhythmische Taktgeber könnten Störungen im Austausch zwischen Basalganglien und Großhirnrinde teilweise überbrücken und somit die sprechmotorische Planung fördern (Grahn & Watson, 2013). Drittens, die Vertrautheit und Formelhaftigkeit der Textzeilen hatte weitreichende Folgen für die Sprachproduktion der untersuchten Patienten. Die Silbenproduktion gelang umso besser, je vertrauter und formelhafter eine Liedzeile war – sei es gesungen oder gesprochen. Nach entsprechender Übung erzielten die Patienten außerdem nachhaltige Fortschritte bei der Produktion formelhafter Phrasen in der alltäglichen Verständigung. Möglicherweise aktivierten die Patienten hierbei sprachliche Ressourcen ihrer unversehrten rechten Hirnhälfte (Van Lancker Sidtis, 2004). Im Licht der beiden Experimente könnte die Wirksamkeit melodiegestützter Aphasietherapie tatsächlich auf Rhythmus und formelhafter Sprache beruhen. Literatur Grahn, J. & Watson, S. (2013). Perspectives on rhythm processing in motor regions of the brain. Music Therapy Perspectives, 31(1), 25–30. Stahl, B., Kotz, S. A., Henseler, I., Turner, R. & Geyer, S. (2011). Rhythm in disguise: Why singing may not hold the key to recovery from aphasia. Brain, 134(10), 3083–3093. Stahl, B., Henseler, I., Turner, R., Geyer, S. & Kotz, S. A. (2013). How to engage the right brain hemisphere in aphasics without even singing: Evidence for two paths of speech recovery. Frontiers in Human Neuroscience, 7(35), 1–12. Van Lancker Sidtis, D. (2004). When novel sentences spoken or heard for the first time in the history of the universe are not enough: Toward a dual-process model of language. International Journal of Language & Communication Disorders, 39(1), 1–44. Registration Link: |